55
Clodagh dachte, sie hätte einen Zusammenbruch; sie war sich dessen sicher, aber sie musste aufstehen und Molly von der Kindergruppe abholen. Als sie zurückkam, legte sie sich wieder ins Bett und wollte da weitermachen, wo sie unterbrochen worden war, aber Molly quengelte, dass sie Nudeln essen wollte. Es hatte Clodagh sowieso keinen Spaß gemacht - was sie ziemlich überrascht hatte. Als Kind hatte sie mitbekommen, wie Ashlings Mutter sich ins Bett gelegt hatte, und hatte gedacht, wie glorreich hingegossen das gewirkt hatte. Aber in Wirklichkeit machte das untätige Herumliegen und das Gefühl, zu nichts in der Lage zu sein, zusätzlich zu dem Selbsthass und der Verwirrung, längst nicht so viel Spaß, wie sie sich vorgestellt hatte.
Seit zehn Uhr an dem Morgen - war es wirklich erst an dem Morgen geschehen? - war ihr ihr ganzes Leben plötzlich ganz fremd geworden. Von dem Moment an, als sie Dylans Schlüssel in der Tür hörte, wusste sie: Das Spiel war aus.
Sie hörte auf, sich unter Marcus rhythmisch zu bewegen, und legte eine Hand ans Ohr, um besser zu hören. »Psst!« Mit einer fließenden Bewegung war er von ihr heruntergerollt: Erstarrt und mit weiten Augen hörten sie, wie Dylan die Treppe raufkam.
Sie hätte die Möglichkeit gehabt, aus dem Bett zu springen, sich einen Bademantel überzuziehen und Marcus im Wandschrank verschwinden zu lassen. Marcus hatte sogar versucht, aus dem Bett zu gleiten, aber sie hatte sein Handgelenk umfasst. Dann hatte sie mit schrecklicher Ruhe gewartet - die Szene, die ihr Leben verändern sollte, war vorbereitet.
In den sechs Wochen davor hatte sie schlaflose Nächte verbracht und sich mit der Frage gequält, wohin ihre Affäre mit Marcus fuhren würde. Sie hatte geschwankt zwischen der Möglichkeit, die Sache mit ihm zu beenden und ein normales Leben mit Dylan wieder aufzunehmen, und der Fantasievorstellung, dass Dylan plötzlich verschwinden würde, ohne dass sie ihm gesagt hatte, dass es mit ihm vorbei war.
Aber als sie auf Dylans Schritte lauschte, die immer näher kamen, wurde ihr klar, dass die Entscheidung schon gefallen war. Und plötzlich war sie sich nicht sicher, ob sie bereit dafür war.
Die Tür zum Schlafzimmer öffnete sich, und obwohl sie wusste, dass es Dylan war, versetzte es ihr einen Schock, als sie ihn sah.
Sein Gesicht. Der Ausdruck auf seinem Gesicht war viel schlimmer, als sie es sich hätte ausmalen können. Fast war sie überrascht von dem Ausmaß des Schmerzes. Und die Stimme, als er sprach, war nicht seine. Sie hatte einen dumpfen Klang, als hätte ihm jemand einen Schlag in die Magengrube versetzt. »Auch wenn das jetzt wie eine Zeile aus einem Song klingt«, sagte er und rang mit trauriger Würde nach Atem, »wie lange geht das schon?«
»Dylan ...«
»Wie lange?«
»Sechs Wochen.«
Dylan wandte sich an Marcus, der sich ein Laken vor die Brust hielt. »Würden Sie bitte gehen? Ich möchte mit meiner Frau sprechen?«
Seine Genitalien verschämt mit der Hand bedeckend, robbte Marcus zum Bettrand, griff nach seinen Sachen und murmelte Clodagh zu: »Ich ruf dich später an.«
Dylan sah ihm nach, dann wandte er sich wieder zu Clodagh und fragte leise: »Warum?« Hunderttausend Fragen lagen in diesem einen Wort.
Sie suchte nach den richtigen Worten. »Ich weiß es selbst nicht.«
»Bitte, sag mir, warum. Sag mir, was nicht in Ordnung ist. Wir können eine Lösung finden - ich werde alles tun.«
Was konnte sie sagen? Mit plötzlicher Sicherheit wollte sie gar nicht, dass es eine Lösung gab. Aber sie schuldete ihm Aufrichtigkeit. »Ich glaube, ich war einsam ...«
»Einsam? Wie das?«
»Ich weiß nicht, ich kann es nicht beschreiben. Ich war einsam, ich habe mich gelangweilt.«
»Gelangweilt? Mit mir?«
Sie zögerte. So grausam konnte sie nicht sein. »Mit allem.«
»Möchtest du, dass wir eine Lösung finden?«
»Ich weiß nicht.«
Er musterte sie, während sich das Schweigen schmerzlich ausdehnte. »Das heißt nein. Liebst du diesen ... ihn?«
Ein unglückliches Nicken. »Ich glaube, ja.«
»Gut.«
»Gut?«
Aber Dylan sagte nichts darauf. Stattdessen holte er eine Tragetasche vom Schrank herunter, schleuderte sie aufs Bett, riss Schubladen auf und schob sie zu und fing an, Unterwäsche und Hemden in die Tasche zu werfen. Nichts hatte sie darauf vorbereitet, wie schockierend das war.
»Aber...«, sagte sie, während sie mit ansah, wie Krawatten, Rasierzeug und Socken in der Tasche landeten. Alles passierte sehr schnell.
Dann war die Tasche prallvoll. Als Dylan den Reißverschluss zuzog, sagte er mit piepsiger Stimme: »Den Rest hole ich später.«
Er hastete aus dem Zimmer, und nach einer panikerfüllten Sekunde warf sie sich einen Bademantel über und eilte ihm nach.
»Dylan, ich liebe dich doch immer noch«, sagte sie flehentlich.
»Was sollte das dann?« Er deutete mit dem Kopf nach oben.
»Ich liebe dich doch immer noch«, sagte sie mit leiser Stimme, »aber...«
»Du bist nicht mehr verliebt in mich?«, beendete Dylan den Satz grausam.
Sie zögerte. Aber sie musste ehrlich sein. »Wahrscheinlich ...«
Sein Gesicht war plötzlich verschlossen. »Ich komme heute Abend, um mit meinen Kindern zu sprechen. Du kannst vorerst in dem Haus bleiben.«
»Vorerst?«
»Das Haus werden wir verkaufen müssen.«
»Wirklich?«
»Ich kann mir nicht zwei Häuser leisten, und wenn du glaubst, du kannst hier wohnen bleiben, während ich in einem Schuhkarton in Rathmines hause, dann irrst du dich gewaltig.«
Und damit war er weg.
Sie wand sich unter dem Schock; alles war so schnell passiert. Sie hatte Dylan aus ihrem Leben herausfantasiert, aber jetzt, da er gegangen war, gefiel es ihr nicht. Elf Jahre, in einer halben Stunde ausgewischt, und Dylan voller Schmerz. Und er hatte gesagt, das Haus müsse verkauft werden! Ja, sie war verrückt nach Marcus, aber so einfach waren die Dinge auch nicht.
Sie war zu benommen, um zu weinen, zu verschreckt, um zu trauern, und saß lange, lange in der Küche. Erst ein Klingeln an der Haustür holte sie in die wirkliche Welt zurück. Vielleicht war es Marcus. Aber nein.
Es war Ashling.
Sie hatte sie nicht erwartet. Mit Sicherheit war sie nicht darauf vorbereitet. Und Ashlings untypische Feindseligkeit machte alles nur noch schrecklicher. Clodagh war immer von Liebe umgeben gewesen, und plötzlich hassten sie alle, sie hasste sich selbst. Sie war eine Ausgestoßene, ein nutzloser Mensch, sie hatte gegen alle Regeln verstoßen, und man würde ihr nicht verzeihen.
Erst nachdem Ashling gegangen war, weinte Clodagh. Sie kroch wieder ins Bett, zwischen die Laken mit dem Geruch nach abgebrochenem Sex. Nie hatte sie so oft die Bettwäsche gewaschen wie in den letzten sechs Wochen. Nun, heute brauchte sie das nicht zu tun, es gab nichts mehr zu verbergen.
Sie griff nach dem Telefon, um Marcus anzurufen. Er sollte sie daran erinnern, dass sie eigentlich nichts Schlimmes getan hatten. Dass sie verrückt nacheinander waren, dass sie nichts dafür konnten, dass ihre Verliebtheit nobel war. Aber er war nicht bei der Arbeit, und er ging nicht an sein Mobiltelefon, also musste sie ihren Kummer allein ertragen.
Es ist nicht meine Schuld, wiederholte sie immer wieder wie ein Mantra. Ich konnte nichts dafür. Aber als würde sich die Hölle einen Spalt breit öffnen, sah sie immer wieder einen kleinen Ausschnitt der Ungeheuerlichkeit, die sie begangen hatte. Was sie Dylan angetan hatte, war unverzeihlich. Unglaublich. Mit zitternden Händen griff sie nach einer Zeitschrift und suchte in einem Artikel über Wandbordüren nach Vergessen. Aber der Spalt öffnete sich erneut - diesmal noch schlimmer. Sie hatte nicht nur Dylan etwas angetan, sondern auch ihren Kindern. Und Ashling.
Ihr Herz klopfte heftiger, und mit schwitziger Hand nahm sie die Fernbedienung und drückte so lange auf die Knöpfe, bis sie die Jerry-Springer-Show gefunden hatte. Doch das reichte nicht aus, um sie von sich selbst abzulenken - normalerweise kamen ihr die Leute in seiner Show mit ihren lächerlich aufgeblasenen Leben wie Cartoon-Figuren vor, aber heute konnte sie keinen Unterschied zu sich selbst entdecken.
Sie schaltete auf Emmerdale um, dann auf Home and Ausay, aber nichts half. Sie zitterte vor Entsetzen angesichts ihres eigenen Handelns und der verheerenden Wirkung, zu der es geführt hatte, und konnte es nicht begreifen. Dann fiel ihr ein, dass sie Molly vom Kinderladen abholen müsste, und in einem Anflug von Panik war sie wie gelähmt. Sie konnte nicht rausgehen. Es ging nicht. Es war unmöglich.
Sie konnte nicht allein sein und sie konnte nicht unter Menschen sein, und einen schrecklichen Moment lang fragte sie sich, ob sie einem Zusammenbruch nah war. Dieser unerträgliche Gedanke plagte sie wie ein Albtraum, dann kämpfte sie sich aus dem Bett. Einen Zusammenbruch zu haben war noch schrecklicher, als sich der Welt zu stellen.
Marcus rief am Nachmittag an, und trotz allem, was passiert war, fing jede Faser in ihrem Körper an zu vibrieren. Sie war verrückt nach ihm, es war ein Gefühl, das sie seit Jahren nicht für Dylan gehabt hatte. Falls überhaupt jemals. Die Liebe würde alles besiegen.
»Wie ist es?«, fragte er mit sorgenerfüllter Stimme.
»Scheiße!« Halb lachte sie, halb war es ein Weinen. »Dylan ist ausgezogen, alle hassen mich, es ist so furchtbar.«
»Es wird sich alles regeln«, beschwichtigte er sie.
»Wirklich?«
»Wirklich.«
»He, ich habe vorhin angerufen, aber du bist nicht rangegangen.«
»Ich halte mich bedeckt.«
»Ashling weiß Bescheid. Dylan hat mit ihr gesprochen.«
»Das hatte ich mir schon gedacht.«
»Wirst du mit ihr sprechen?«
»Ich glaube, das hat keinen Zweck«, sagte er und versuchte, seine Beschämung zu überspielen. »Ich möchte bei dir sein. Was kann ich ihr schon sagen? Sie weiß doch alles!«
Sechs Wochen lang hatte Marcus seine Liebschaft mit Clodagh gerechtfertigt, indem er sich sagte, Ashling habe ihn vernachlässigt. In Wahrheit jedoch waren seine Gefühle viel komplexer. Er hatte seinem Glück bei Clodagh kaum getraut. Sie war so schön, und er fand sie viel begehrenswerter als Ashling. Aber er mochte Ashling sehr und verabscheute sich, weil er sie so gemein behandelt hatte. Doch wollte er auf gar keinen Fall in einer Konfrontation mit Ashling über sein rücksichtsloses Verhalten Rechenschaft ablegen müssen.
Viel besser war es, sich auf das Positive zu konzentrieren. Mit einer Stimme, in der sein ganzes Verlangen schwang, fragte er Clodagh. »Können wir uns sehen?«
»Dylan kommt nach der Arbeit. Er will mit den Kindern sprechen. Himmel, ich fasse es nicht...«
»Und wenn er weg ist? Ich könnte die Nacht über bleiben, jetzt brauchen wir uns ja nicht mehr zu fürchten, oder?«
Ihr Herz machte einen Sprung. »Ich rufe dich an, wenn er weg ist.«
»Gut, ruf mich zu Hause an! Lass es dreimal klingeln, leg dann auf und wähle noch einmal. Dann weiß ich, dass du es bist.«
Dylan kam nach der Arbeit. Er war anders. Nicht mehr so offensichtlich verletzt, sondern vielmehr wütend.
»Du wolltest, dass ich es herausfinde, stimmt‘s?«
»Nein!« Oder doch?
»O ja. In letzter Zeit warst du sehr merkwürdig.«
Das mochte sein, gab sie zu.
»Haben meine Kinder dich mit dem Arsch im Bett gesehen?«
»Nein, natürlich nicht!«
»Das ist auch besser so, wenn du das Recht haben möchtest, sie zu sehen.«
»Was meinst du damit?«
»Ich bekomme natürlich das Sorgerecht - du hast da keine Chance. Unter den gegebenen Umständen«, sagte er unfreundlich.
Seine Worte und sein verschlossener Gesichtsausdruck machten ihr plötzlich klar, wie ernst die Situation war. Sie sah eine Seite von Dylan, die sie nicht kannte.
»Herr im Himmel«, explodierte sie, »warum bist du so -!«
Beinahe hätte sie ihn ein Arschloch genannt. Aber warum sollte er kein Arschloch sein, in Anbetracht der Dinge?
Er schien von ihrer Hilflosigkeit amüsiert - falls es möglich war, dass jemand sie gleichzeitig auslachte und verhöhnte.
Sie musste daran denken, dass Dylan Geschäftsmann war. Ein sehr erfolgreicher Ein Mann, der Härte beweisen konnte. Vielleicht würde er sich nicht einfach auf die Seite rollen und totstellen, bloß weil sie das wollte.
»Ich bekomme das Sorgerecht«, wiederholte er.
»Ja, gut«, sagte sie demütig.
Doch obwohl ihr Gesicht Demut ausdrückte, ging ihr wie wild im Kopf herum: Meine Kinder kriegt er nicht, auf keinen Fall.
»Gut, und jetzt will ich mit ihnen sprechen.« Dylan ging ins Wohnzimmer, wo Craig und Molly vor dem Fernseher saßen. Offensichtlich spürten sie, dass etwas nicht in Ordnung war, denn sie waren den ganzen Nachmittag ungewöhnlich still gewesen.
Als Dylan wieder herauskam, sagte er kalt: »Ich habe ihnen gesagt, dass ich eine Weile verreisen muss. Ich brauche Zeit, mir zu überlegen, wie ich das regeln will.« Er rieb sich mit der Hand über den Mund und sah plötzlich so erschöpft aus.
Aber ihr Mitleid mit ihm schwand, als er hinzufugte: »Ich hätte ihnen sagen können, dass ihre Mutter eine abscheuliche Ehebrecherin ist, aber anscheinend richtet das eher Schaden an. Also, ich gehe zu meinen Eltern. Ruf mich an -«
»Mache ich -«
»- wenn mit den Kindern was ist.«
Sie sah ihm zu, wie er die Kinder fest in die Arme nahm und die Augen dabei geschlossen hatte. Es war zu schrecklich. Gestern um diese Zeit hätte das Leben nicht normaler sein können. Sie hatte ein chinesisches Pfannengericht gekocht, Craig hatte alles wieder auf seinen Teller gespuckt, dann hatte sie sich Coronation Street angesehen und Dylan so lange bearbeitet, bis er eine Glühbirne auswechselte, und Molly hatte eine Wand in ihrem Zimmer mit Erdnussbutter beschmiert. Rückblickend kam es ihr wie das goldene Zeitalter vor, frei von Sorgen und Schmerz. Wer hätte ahnen können, dass ihr gemeinsames Leben so schnell aus den Angeln gehoben und durcheinander gewirbelt werden konnte, von Bitterkeit umschleiert?
»Also dann.« Dylan schloss die Tür hinter sich. Sie hatte gesehen, wie er seine Tasche packte, er hatte ihr gesagt, dass er auszog, aber sie hatte es sich nicht vorstellen können, bis es tatsächlich geschehen war.
Das kann alles nicht wahr sein, dachte sie, als sie im Flur stand, dass kann nicht wahr sein.
Sie drehte sich von der Tür um und sah Craig und Molly, die sie schweigend anblickten. Sie wussten, dass etwas Schreckliches geschehen war. Voller Scham wandte sie sich von ihnen und ihren Fragen ab und griff nach dem Telefonhörer.
Sie hörte das Klingelzeichen, dann stellte sich der Anrufbeantworter ein. Wo war er? Dann fiel ihr wieder ein, dass er gesagt hatte, sie solle es dreimal klingeln lassen, auflegen und noch einmal anrufen. Zögernd tat sie es - sie kam sich vor wie eine Ausgestoßene.
Als sie das zweite Mal seine Nummer wählte, nahm er sofort ab, und augenblicklich ließ ihr Schmerz nach und machte einem erhebenden, berauschenden Gefühl Platz.
»Ist Dylan weg?«, fragte er.
»Ja -«
»Okay, ich komme sofort.«
»Nein, warte!«
»Was?« Seine Stimme klang plötzlich unfreundlich.
»Ich würde dich liebend gern sehen«, erklärte sie, »aber nicht heute Abend. Es geht zu schnell. Ich will die Kinder nicht verwirren. Weißt du, Dylan hat von allen möglichen schrecklichen Dingen gesprochen, zum Beispiel, dass ich das Sorgerecht nicht bekommen würde.«
Alles war still, dann fragte Marcus leise: »Möchtest du mich nicht sehen?«
»Marcus, ich würde alles dafür geben! Das weißt du doch, aber ich glaube, es ist besser, wenn wir bis morgen warten. He, ich wette, es tut dir Leid, dass du dich je mit mir eingelassen hast, oder?« Sie schniefte mit einem kleinen Lachen.
»Sag nicht so was«, sagte er, wie sie erwartet hatte.
»Komm morgen Nachmittag vorbei«, lud sie ihn schüchtern ein. »Hier gibt es zwei, mit denen ich dich bekannt machen möchte.«
Am folgenden Nachmittag kam Marcus mit einer Barbie-Puppe für Molly und einem großen roten Lastauto für Craig. Trotz der Geschenke betrachteten die Kinder ihn mit Misstrauen. Sie spürten beide, dass ihre Welt nicht mehr in Ordnung war, und fühlten sich von diesem Fremden zusätzlich verunsichert. Marcus versuchte, ihren Widerstand zu brechen, und spielte mit den beiden. Ehrfürchtig bürstete er Barbies Haare und schob das Lastauto auf dem Teppich zwischen sich und Craig hin und her. Nachdem er ihnen eine Stunde lang seine uneingeschränkte Aufmerksamkeit geschenkt und eine Tüte mit Percy Pigs hervorgezogen hatte, ließ ihre Wachsamkeit endlich nach.
Mit einem intensiven Gefühl der Hoffnung sah Clodagh zu und wagte kaum zu atmen. Vielleicht würde alles besser. Vielleicht würde sich alles regeln. Ihre Gedanken rasten davon, in die Zukunft: Marcus könnte zu ihr ziehen, er könnte die Hypothek übernehmen, sie würde das Sorgerecht für die Kinder bekommen, Dylan würde als Kinderschänder oder Drogenhändler entlarvt, so dass alle ihn hassten und ihr verzeihen würden ...
Als Craig und Molly einen Moment lang mit sich selbst beschäftigt waren, berührte Marcus Clodagh zärtlich. »Wie geht es dir?«, fragte er sanft. »Kommst du zurecht?«
»Alle hassen uns.« Sie lachte unter Tränen. »Aber wenigstens haben wir ja uns.«
»Das stimmt«, bestätigte er und nahm sie in die Arme.
»Wann kann ich mit dir ins Bett?«, murmelte er, schmuggelte eine Hand unter ihr T-Shirt und nahm die Brust, die von den Kindern weggerichtet war. Er zwickte ihre Brustwarze, und ihr Mund drückte Verlangen aus.
»Mammmiiii«, jammerte Craig, stand vom Boden auf und versuchte Marcus von Clodagh wegzuschubsen. Er schlug mit dem roten Lastauto um sich und erwischte Marcus an seinem linken Hodensack. Nicht fest genug, um größeren Schaden anzurichten, aber doch so, dass Marcus einen Moment der Übelkeit verspürte.
»Darling, du musst lernen zu teilen«, sagte Clodagh sanft.
»Will ich aber nicht!«
Nach einer beklommenen Pause sagte Clodagh: »Marcus, ich habe das zu Craig gesagt.«